Nach dem gescheiterten Versuch einer Antarktischen Halbumrundung 2009 funktioniert es diesmal wirklich.
Donnerstag , 31. Jänner
Nach Flügen von Graz über Frankfurt nach Buenos Aires lag die letzte Etappe nach Ushuaia endlich hinter uns. Wie schön, die Bremen so in der Sonne an der Pier liegen zu sehen.
Aber zuerst geht es mit dem Bus noch ins Umland; muss doch die Crew das Schiff für die kommende Reise vorbereiten.
Da hätten wir an Bord noch nichts zu suchen, Sehnsucht hin oder her.
Freitag, 1. Februar
Unser Kapitän verschiebt das Ablegen um einen halben Tag. Ein Sturmtief düst durch die Drakepassage und wir sollten nicht gleich am ersten Tag 10m-Wellen abbekommen. Die Chancen auch sonst noch in raue See zu kommen stehen bei diesem Vorhaben so und so sehr gut.
Im Beagle-Kanal ist die See noch ruhig, unser verspäteter Start beschert uns einen farbenprächtigen Sonnenaufgang, der Rest des Tages ist allerdings verregnet.
Samstag, 2. Februar
Naja, ganz sind wir diesem Tief doch nicht entkommen. 7m-Wellen sind es immer noch. Die Drakepassage hat also wieder einmal eindrucksvoll ihren Ruf als Sturm gepeitschte Ecke bestätigt.
Sonntag, 3. Februar
Endlich! Die Überfahrt ist durchgestanden. Deception Island, die an einer Stelle eingebrochene Caldera lockt mit ruhigem Wasser, aber mit nur wenig Sonne. Trotzdem oder vielleicht deshalb sind die Lichtstimmungen einfach wunderschön. Erbaulich auch die Wanderungen durch diese bizarre Vulkanlandschaft in der Whalers Bay und der Telephone Bay.
Montag, 4. Februar
Über Nacht sind wir zur argentinischen Station „Prima Vera“ in der Cierva Cove gefahren. Zeitig in der Früh werden wir in die Zodiacs gesetzt. Zum ersten Mal auf dieser Reise sind wir Eis und Eisbergen ganz nah.
Anschließend klettern wir eine felsige Küste hinauf, um die argentinische Station, die nur im Sommer besetzt ist, zu besichtigen.
Am Nachmittag erreichen wir Paradise Bay, eine Bucht, die ihren Namen zu Recht bekommen hat. Wieder geht es mit den Zodiacs hinaus. Sehr ungewöhnlich, die Bucht so ganz ohne Eisbrocken zu sehen. Dafür sorgt der Gletscher selbst für ein unerwartetes Schauspiel.
Dienstag, 5. Februar
In der Früh fahren wir durch die Enge Passage des Neumayer-Kanals zur englischen Station Port Lockroy. Sah es anfangs noch nach Sonne aus, hatte sich das Thema aber bald wieder erledigt.
Bei der Anlandung in Port Lockroy gibt es sogar heftigen Schneefall. Selbst die Pinguine wundern sich über den Niederschlag, schielen und picken immer wieder nach den Schneeflocken.
Weiter, weiter geht es durch den Lemair Kanal. Leider lässt uns auch hier die Sonne im Stich. Schade, dass wir die auf über 1000m hinaufragenden Berge dieser Durchfahrt nur an der Basis zu Gesicht bekommen. Zum Überfluss hat es auch noch zu regnen begonnen.
Gleich nach dem Lemaire Kanal biegen wir nach rechts zur Pleneau Insel ab. Inzwischen hat der Regen wieder aufgehört und wir können ungehindert über die Insel wandern. Naja, in den von den Lektoren vorgegebenen Bereichen eben.
Aber diese riesigen Kolonien von Eselspinguinen vor einer bezaubernden Eislandschaft sind auch bei bedecktem Himmel sehr reizvoll.
Mittwoch, 6. Februar
Prospect Point ist wegen zu viel Eis nicht zu erreichen. Also beschloss man, uns in Zodiacs zu setzen und uns durch die Eisbruchstücke zu schippern. Es herrscht starker Schneefall, die Eisberge sind bereits angezuckert, ebenso wie die Schlauchboote und letztendlich dann natürlich auch wir. Das Blau des Eises wirkt durch die Schneeflocken seltsam entrückt, das Meer dadurch fast wie eine Theaterkulisse. Wie kann „schlechtes“ Wetter nur so schön sein...
Um 12.56 Uhr überqueren wir den südlichen Polarkreis. Am Nachmittag erreichen die Detaille Island. Die britische Hütte dort wurde 1956 errichtet, aber nur bis 1959 genutzt, da die Insel zu oft von Eis eingeschlossen ist. Als dann endlich wieder einmal ein Versorgungsschiff durchkam, ließen die Stationsmitglieder alles stehen und liegen und beeilten sich von diesem ungastlichen Ort wegzukommen. Nahezu alles haben sie zurückgelassen. Ausrüstung, Proviant, Brennstoff. Besucht man heute diese Hütte, bekommt man einen guten Eindruck über die damaligen Lebensbedingungen der Antarktisforscher.
Donnerstag, 7. Februar
Horseshoe Island, wieder eine Insel mit einer Station darauf.
Trotzdem, es ist echt faszinierend, unter welch widrigen Umständen die damaligen Polarreisenden den Elementen trotzten. So manch ein Forscher wird wohl die Robben beneidet haben,
wie gut diese Tiere an diese schwierigen Lebensbedingungen angepasst sind,
dass sie es sogar genießen können, dort zu leben.
Stonington Island - auch hier gibt es Hütten aus den Anfängen der Antarktisforschung. Von hier startete z.B. Finn Roenne zu diversen Flügen in die Umgebung, um weitere unbekannte Landstriche zu kartographieren.
So, das war jetzt die letzte Anlandung auf der antarktischen Halbinsel.
Nun heißt es Kurs "West", immer am 70sten Breitengrad entlang, bis in die Ross-See, die erst jetzt schön langsam seine Packeis-Tore zu öffnen beginnt.
Freitag, 8. Februar
See-Tag zur Peter I. Insel.
In der Nacht werden die Uhren um eine Stunde zurück gestellt.
5 Stunden Zeitunterschied zu Mitteleuropa.
Anfangs hat es noch ein kleines Wolkenloch gegeben, es ist aber bald wieder verschwunden. Der Rest des Tages bleibt grau in grau.
Samstag, 9. Februar
In der Nacht werden die Uhren um eine Stunde zurück gestellt.
6 Stunden Zeitunterschied zu Mitteleuropa.
In der Früh erreichen wir die Peter I. Insel, die erst von wenigen hundert Menschen besucht worden ist. Entdeckt wurde sie von Fabian Gottlieb von Bellinghausen 1821.
Die Insel ist fast vollständig von Eis bedeckt. Nur im Westen bietet das Kap Ingrid die Möglichkeit zu einem Landgang.
Leider bleibt es auch uns verwehrt, den Fuß dort an Land zu setzen.Doch die Zodiac-Tour zu den bizarren Vulkangesteinsformationen war auch nicht schlecht.
Die Wolken lichten sich nicht, auch wenn manchmal die Sonnenscheibe zu sehen ist. So entzieht sich der Vulkan auch in visueller Form unseren Annäherungsversuchen.
Sonntag, 10. Februar
In der Nacht werden die Uhren um eine Stunde zurück gestellt. 7 Stunden Zeitunterschied zu Mitteleuropa.
Immer am 70. Breitengrad entlang und dann links abgebogen zum Rossmeer über 2.500 nm. Sechs Tage lang würden wir kein Land sehen! Nur Wasser und immens große Eisberge werden unsere Weggefährten sein.
Montag, 11. Februar
In der Nacht werden die Uhren um eine Stunde zurück gestellt. 8 Stunden Zeitunterschied zu Mitteleuropa.
Sonnenaufgang um 4.11 Uhr, sicherheitshalber habe ich mir den Wecker gestellt - und siehe da ein roter Fleck ist am Horizont zu sehen, die Wolken haben einen schmalen Spalt offen gelassen, der so platziert ist, dass Eisberge am Horizont orange angeleuchtet werden. Eine Stunde dauert das Spektakel, dann schieben sich wieder Wolken vor. Inzwischen ist es wieder düster geworden, aber die Fotos, die mir gelungen sind, lassen mich das Grau des restlichen Tages vergessen.
Aber der Tag hat noch ein Geschenk für uns bereit gelegt. Drei Buckelwale ergötzen sich an einem Krill-Schwarm um sie herum, schwimmen "Purzelbäume", rollen um ihre wuchtige Längsachse und freuen sich sichtlich ihresLebens.
Dienstag, 12. Februar
In der Nacht werden die Uhren um eine Stunde zurück gestellt. 9 Stunden Zeitunterschied zu Mitteleuropa.
Das ewige Uhrenumstellen ging mir langsam auf die Nerven! Ich bin schon komplett durcheinander. Zumal es in der Nacht nicht mehr wirklich dunkel und am Tag nicht richtig hell wird. Damit gibt es auch kaum einen Anhaltspunkt für meine innere Uhr. Am Nachmittag glaube ich, es ist Vormittag und um Mitternacht bin ich putz munter.
Wieder nur grauer Himmel und graues Meer, aber die Eiskolosse, anders kann man sie nicht mehr bezeichnen, nehmen immer dramatischere Dimensionen an.
Mittwoch, 13. Februar
In der Nacht werden die Uhren um eine Stunde zurück gestellt.
10 Stunden Zeitunterschied zu Mitteleuropa.
Der Luftdruck fällt weiter. Am Barographen auf der Brücke muss man das Papier auf der Unterkante der Mess-Rolle fast anstückeln, damit die Schreibnadel nicht unten ausfährt.
8Bft sind für die kommenden 48 Stunden angekündigt.
Das Positive daran: Die Ross-See ist offen und der Südwind wird das absichern.
Donnerstag, 14. Februar
In der Nacht werden die Uhren um eine Stunde zurück gestellt. 11 Stunden Zeitunterschied zu Mitteleuropa.
So um Mitternacht laufen wieder einmal die schon bekannten Erschütterungen durch das Schiff. Das Eisfeld ist dick und relativ dicht. Ich schätze mindesten 5/10 Eisbedeckung ist da zu sehen. Die Schollen sind unglaublich mächtig. Immer wieder donnert das Schiff gegen Eisschollen. Offensichtlich hat der Südwind die Treibeisfelder weiter in den Norden getrieben als angenommen. Wir fahren bestenfalls mit 3kn. Wenn das stundenlang so weitergeht, geht das auf Kosten der Anlandungen. Auf meiner Voraus-Kamera merke ich aber, dass die Bremen leicht nach Steuerbord dreht. Eine halbe Stunde später sind wir frei und die Bremen nimmt wieder ihren „gestreckten Galopp“ von 14kn auf.
Freitag, 15. Februar
In der Nacht werden die Uhren um eine Stunde zurück gestellt. 12 Stunden Zeitunterschied zu Mitteleuropa. Endlich hat das Uhrenumstellen ein Ende...
Je weiter wir in die Ross-See hineinfahren, desto kälter und kälter wird das Meer. Ab -1,5°C beginnt es zuzufrieren. Ich sehe aus dem Fenster meiner Kabine. Das Meer sieht so komisch aus, so ölig glatt, bildet verschiedene Muster. Ja, so entsteht See-Eis.
13.30 Uhr LAND IN SICHT! Durchsage des Kapitäns: Der Antarktische Kontinent ist am Horizont sichtbar. Und die Sonne scheint dort, der Wind hat aber leider auch wieder zugenommen…
16.00 Uhr Ansteuerung auf Cape Adare. Der Wind bläst, wenn ich mir die Wellen so anschaue, locker mit 6 Windstärken. Zwischen uns und dem Kap scheint eine breite Eisbarriere zu sein, trotzdem versucht der Kapitän der Küste näher zu kommen. Es gelingt auch! Zwischen grandiosen Eisbergen hindurch, navigiert er bis knapp an die Küste und ankert dort. Trotzdem ist der Wind hier noch immer stark.
18.00 Uhr; Die Entscheidung ist gefallen, keine Anlandung auf Cape Adare. Bei -6°C Luft- und -1,6°C Wassertemperatur, gefriert die Gischt schon am Zodiac, dazu noch ein Eisgürtel der Küste entlang. Viel zu gefährlich, auch wenn ich liebend gerne hinüber gefahren wäre. So gibt es lediglich Fotos von den beiden Hütten und der Stange (rechts im Bild), auf der einmal ein Blecheimer befestigt war, das sich dann „Postkasten“ genannt hatte.
Samstag, 16. Februar
Wir überqueren die Datumsgrenze von Ost nach West. Damit gibt es diesen Tag an Bord unseres Schiffes nicht!
Sonntag, 17. Februar
4.45 Uhr Sonne auf meiner Seite nicht zu sehen, sicherheitshalber bin ich dann mit umgehängtem Parka zur Steuerbord-Außentür. Tja, rosarote Bergspitzen. Gibt es da ein effizienteres Weckmittel?
Schnell in meine vorbereiteten Sachen geschlüpft, Kamera geschnappt und r-au-s ins Freien. Puuuh, ist das kalt. Also bleibe ich am Lido-Deck und fotografiere von dort aus. Die Sonne lässt sich ordentlich bitten. Lange versteckt sie sich hinter einer Wolkenbank, obwohl die Berge angestrahlt werden. Schließlich muss ich nachgeben und wärme mich im Club, wo es schon heißen Tee gibt.
Nächster Punkt Coulman Island: Schon beim Hinfahren beginnt das Meer Erfrierungserscheinungen zu zeigen. Glatte Stellen sind auf der Oberfläche zu sehen, wo doch Wellen sein sollten. Bei genauerem Hinsehen entdeckt man winzig kleine Eisplättchen, die nach und nach dichter und größer werden. Pfannkuchen Eis! Die Schollen beginnen sich zu überlagern. Bilden immer komplexere Strukturen von ringförmigen Graten. Manchmal bilden sie damit fast konzentrische Kreise. Fasziniert schauen wir alle auf die immer dichter werdende Eisoberfläche.
Der Kaiserpinguin!
Ja, ja, ich weiß schon, dass zu dieser Zeit (Spätherbst) die Kücken schon flügge sein müssen, um den Winter zu überleben und dass es deswegen auch keine Kaiserpinguin-Kolonien mehr geben kann. Aber nur ein einziger Kaiserpinguin auf der ganzen langen Reise...
Wenigstens stand ich an der richtigen Seite des Schiffs als wir an ihm vorbei fahren.
Coulman Island - so schön - so leer
Montag, 18. Februar
Eine fahle Morgen-Sonne gähnt uns bei Franklin Island an. Adelie-Pinguine wuseln geschäftig am schmalen Küstenstreifen durcheinander. Dieser Uferabschnitt liegt heute genau auf der Luvseite der Insel. Und der Wind bläst heftig. Schon die beiden Erkundungs-Zodiacs stellen schnell klar; diese Ausbootung wird eine nasse Angelegenheit. Schließlich stellt sich dann noch heraus, dass der Sandstrand steil ist und einen Eis-Saum darüber ausweist. Bei diesem Wind und der dazu gehörenden Brandung ist einfach keine Anlandung möglich.
Als Ersatz gibt es eine Zodiac-Tour. Die ist aber derart unruhig, dass immer wieder Wellen überkommen, deren Spritzwasser uns in Eisskulpturen verwandeln. Die Adeliepinguine sehen wir nur aus der Ferne.
Die erste Bekanntschaft mit dem Ross Eisschelf geht fast im Nebel unter.
Dienstag, 19 Februar
In der Nacht fahren wir nördlich an der Ross Insel vorbei. Einmal, so um 2 Uhr Früh blinzelt die Sonne durch ein Wolkenloch. Knapp darunter ist die steile gerade Flanke eines Berghangs zu sehen.
Alarmstart! Schnell kann ich diese prachtvolle Stimmung einfangen und beschließe, dass das der Mount Erebus gewesen sein müsste. Müde verkrieche ich mich halb angezogen wieder in mein Bett.
In der Früh wache ich erst auf, als die Ankerkette donnert. McMurdo liegt vor uns.
Düster, kalt und stürmisch präsentiert sich das amerikanische Forschungsstädtchen und die karge Hügellandschaft drum herum. Die erste Ausbootung ist für 8 Uhr geplant. Ich bin heute bei der letzten Gruppe, also gehe ich einmal gemütlich fotografieren und frühstücken.
Ein von den Amerikanern gecharterte russischer Eisbrecher „Vladimir Ignatok“ kreuzt auf und ab, wie bestellt und nicht abgeholt. Aber das stimmt ja auch irgendwie. Die Pier ist durch einen riesigen Frachter aus Houston/Texas blockiert. Da der Eisbrecher aber hier stationiert ist, bleibt ihm nichts anderes übrig, als so lange vor McMurdo hin und her zu fahren, bis der Frachter wieder weg ist. Schön öder Dienst, Leute!
McMurdo dürfen wir leider nicht betreten. Dafür können wir aber die neuseeländische Station ein paar Kilometer weiter besichtigen. Wir werden von der Landestelle knapp außerhalb der amerikanischen Basis mit Kleinbussen abgeholt und zu ihrer Station gefahren. Selbst dafür müssen die Kiwis per Funk bei den Amis eine Genehmigung einholen.
Bei der Besichtigung der Scott Base fühle ich mich gleich heimisch! 15 Leute überwintern dort jährlich. Ich wäre gerne eine von ihnen...
Eine eisige Anlandung erwartet uns, um nach McMurdo zu kommen.
Das Spritzwasser gefriert auf der Stelle und packt alles in eine Eisschicht. Selbst der Anker der Bremen ist eingefroren.
Scotts Discovery Hütte am Hut Point können wir nicht besuchen. Obwohl nur ein paar hundert Meter von McMurdo entfernt, ist zu viel Eis darum herum, das mit unseren Schuhen einfach nicht begehbar ist. Theoretisch wäre die Hütte von Land aus leicht zu Fuß erreichbar, aber durch McMurdo dürfen wir ja nicht...
Nun geht es weiter zum Cape Evans (25nm), um dort eine Anlandung zu probieren… Dort angekommen sind inzwischen die Wolken so dick geworden, dass es echt dunkel ist. Der Sturm heult, der Anker hält nicht.
Also muss die Bremen in der Nacht von der Insel kreuzen.
- - - - -
Ich befinde mich zwar nun am Fuß des Mount Erebus, aber zu Gesicht bekommen würde ich ihn wohl nicht...
Mittwoch, 20. Februar
WOW, als ich früh morgens aus dem Fenster meiner Kabine schaue, strahlt mich der Mount Erebus in seiner ganzen Schönheit an. Die steilen schneebedeckten Hänge sind durchzogen mit Furchen unzähliger Ausbrüche. Nur an seiner Westflanke hüllt er sich noch in Wolken.
Draußen pfeift der Wind und fegt Eiskristalle über die Gletscherkanten. Die Grate sind wegen der Schneeverwehungen nur unscharf zu sehen.
In Windrichtung liegt am Ufer Scott´s Hut.
Die Hütte, von der aus Robert Falcon Scott den Wettlauf zum Südpol startete und davon nie zurückkehren sollte. (Schon ein beklemmender Gedanke). Auch später wurde diese noch einmal für eine (wiederum gescheiterte) Expedition genützt. Von hier aus operierten Shackletons Leute, um Depots zum Südpol hin aufzubauen, damit Shackleton bei der Durchquerung der Antarktis von der Weddelsee her immer genug Proviant hätte aufnehmen können. Depots, die er nie verwenden konnte, weil er mit der Endurance vom Packeis in der Weddelsee eingeschlossen worden war und seine Durchquerung nie beginnen konnte. Drei seiner Leute starben hier. Ein Kreuz auf einem nahen Hügel erinnert an sie.
Alles ist in seinem ursprünglichen Zustand geblieben. Der Kanonenofen in der Mitte der Raums, die Stapel an Lebensmitteln, die Bettlager, die Forschungseinrichtungen mit Instrumenten und Gerätschaften für chemische Untersuchungen. Ein halb sezierter Pinguin liegt auf einem Tisch, fast vollständig erhalten.
Neben den Innenräumen angebaut sind die Ställe für die Ponys. Ich gehe an den Boxen vorbei zum Fenster am Ende des Ganges. Dort liegt das Skelett eines Hundes, der noch angekettet gewesen sein musste, als er verendete.
Wieder im Freien, hat der Wind schon etwas nach gelassen. Ich schaue mich um. Der Wind scheint hier ein beständiger Faktor zu sein. Die Lavasteine und Steinchen haben lange „Schnee-Schatten“ und bilden bizarre Formationen. Ich bin begeistert! Viele halten mich sicher für bescheuert, als ich mich in der Kälte in den Schnee werfe, um diese Eis-Strukturen zu fotografieren. Ein kurzer Ausflug zum Gipfelkreuz, dann noch einmal rund um die Hütte gegangen. Dort fällt mir der eingegrabene Anker auf und die gebrochenen Stahltrossen, von der sich das Schiff „Aurora“ im Eis losgerissen und die Leute fast ohne Proviant zurück gelassen hatte.
Immer wieder fotografiere ich den Mount Erebus, der, inzwischen wolkenfrei geworden, majestätisch auf uns herunter blickt. Nie und nimmer und schon gar nicht gestern Abend hätte ich gedacht, diesen Berg je zu Gesicht bekommen.
Nächstes Ziel: Cape Royds. Hier wollen Shackletons Hütte von der Nimrod-Expedition besuchen, bei der er schon fast den Südpol erreicht hätte. Wieder einmal legen sich unüberwindliche Eisbarrieren quer und so müssen wir mit einer Zodiac-Tour vorlieb nehmen. Die allerdings hatte auch so seinen Reiz..
Damit aber noch nicht genug; da die Wanderung mehr Zeit in Anspruch genommen hätte als die Zodictouren, fahren wir einen Umweg von ca. 150nm und bekommen damit nun eine zweite Chance, die Eiskante des Ross Eisschelfs bei guten Wetter zu sehen.
Um zu begreifen, was wir da vor uns haben, möchte ich ein paar Zahlen dazu anführen: Fläche 500.000 km² (Österreich 83.878,99km²); Länge der Eiskante 800 km; Höhe der Eiskante über Wasser 10-50 m, unter Wasser 200 m!
So beeindruckend dieses Erlebnis auch war, nun heißt es nicht nur vom Eisschelf sondern auch vom Rossmeer und der Antarktis selbst Abschied zu nehmen.
Ab jetzt steht der Kurs Nord, Richtung Macquarie Islands an. (Die Belleny Islands sind wegen zu viel Eis nicht erreichbar. ) Das Eis gibt den Weg vor, nicht unsere Pläne.
Donnerstag, 21. Februar
Das Eis wird rarer, meist begleiten uns nur mehr gigantische Eisberge. Noch sind sie majestätisch, aber schon bald werden sie in der immer wärmer werdenden See vergehen.
Freitag, 22. Februar
Heute ist der definitiv letzte Tag im Eis. Intensiv genieße ich diese Stunden, das typische leise Donnern, wenn die Eisbrocken gegen den Rumpf krachen, das sanfte Erzittern des Schiffes, wenn das geschah. Das aus dem Kurs gedrückt werden, wenn eine schon recht große Eisscholle nicht gleich weichen will und dann lieber das Schiff ausweicht. Ja, der Abschied fällt schwer, wenn man den „Polarvirus“ in sich trägt.
Samstag, 23. Februar
Die Eisberge sind fort, Wind und Welle da. In der Nacht gab es noch einmal Eisfelder, die durchquert werden mussten, aber auch das ist jetzt vorbei. Einen Eisberg habe ich am Morgen noch fotografiert, einen kleinen, zu Mittag noch am Horizont gesehen.
Der Wind nimmt zu und mit ihm der Seegang. Die Bremen stampft manchmal recht lautstark in die Wellen, schlingert und schwingt danach oft erheblich. Aber das Schiff ist stark und so gibt es keinerlei Ängste zu bestehen.
Sonntag, 24. Februar
Ein weiterer Tag auf See. Das Schiff ist höchst unruhig, Essen gibt es „nur“ im Restaurant auf Deck 4. Die Vorträge werden von der Panorama Lounge auf Deck 7 in den Club auf Deck 5 verfrachtet. Aber auch hier arbeitet das Schiff erheblich.
Da wir noch Minustemperaturen haben, ist das Vorschiff ziemlich vereist, die Bremenflagge fest gefroren und rührt sich keinen Milimeter. Auch die Voraus-Kamera ist „blind“, da die Fenster davor von der Gischt völlig vereist sind.
Montag, 25. Februar
Wieder ein Tag auf See, viel Welle, Essen nur im Restaurant, Vorträge im Club. Aber kein Eis mehr vor der Kamera, dafür sieht man, dass es regnet. Ich gehe wieder auf die Brücke, weil ich erfahren habe, dass durch den Seegang die Backbordfenster mit Stahlplatten gesichert sind.
Vortrag über eine australische Antarktisexpedition, die bei uns zwar unbekannt aber nichts desto weniger dramatisch verlaufen ist. Da viele Polarforscher auch bei Expeditionen anderer bekannter Forscher teilgenommen haben, verliere ich so langsam den Überblick, wer mit wem, wann, wohin und überhaupt. Nach dem „Warum“ frage ich gar nicht, kann mir diese Frage selbst kaum beantworten.
Dienstag, 26. Februar
Macquarie Island: Auch wenn es nur Graslandschaften sind, es ist das erste Grünzeug seit Pleneau Island vor 5 Wochen!
Nachdem wir seit dem Eismeer nur schwere See hatten, ist es eine Wohltat, in der Inselabdeckung etwas zu verschnaufen. Die See ist dort schon ruhig, aber es schießen immer wieder Böen mit sicher 6 Bft. von den Hängen herunter und tatschen in das Wasser um die Pinguine herum, dass es nur so spritze.
Für die Tiere sind wir ein Volksfest. Als wir die Lusitania-Bucht (Bucht ist etwas übertrieben; in Wirklichkeit ist es nur eine Einbuchtung in der 5km x 30km großen Insel) erreichen, strömen orange Köpfe zu hunderten von allen Seiten auf das Schiff zu und bestaunen dieses Ungetüm in Weiß, schwimmen um uns herum, tauchen zur Schiffsschraube und Ruderanlage hinunter, diskutieren auf pinguinisch darüber und putzen sich. In Ufernähe sind sie aber sehr nervös. Dort müssen sie aber auch einen Spießrutenlauf zwischen unsäglich vielen Riesensturmvögeln absolvieren, die nur darauf warten, dass einer ihnen zu nahe kommt.
Mittwoch, 27. Februar
Der letzte Seetag unserer Reise. Die Wellen sind bedeutend weniger als angekündigt. Nun, ich glaube, darüber wird sich niemand beschwert haben.
Morgen soll wieder einmal eine Kalt-Front über uns hinwegfegen, die uns 40 Knoten und mehr bringt. Unangenehm, denn Campbell Island ist so niedrig, dass sie uns nur wenig Schutz bieten wird und die Bucht, in die wir wollen, neigt bei Westwinden auch noch zu Düsenbildung. Na mal sehen…
Donnerstag, 28. Februar
In der Früh zieht die angekündigte Kaltfront über uns hinweg. Diesmal ist es mit der Windprognose anders. Nicht weniger Wind als angesagt, sondern mehr Wind ist da, viel mehr! Der Wind, nein, der Sturm ist brutal. In letzter Minute retteten wir uns in die Abdeckung der Insel. Doch leider bietet sie wie befürchtet nur bedingt Schutz. Die Insel ist flach und die Hügel aerodynamisch geformt, sodass der Sturm fast ungebremst ins Schiff fährt.
Ui-jui-jui, jetzt geht es aber zur Sache! Die mit 85kn daher preschenden Böen krachen ins Freibord und krängen die Bremen erheblich nach Lee, die, so nah es das Wetter zuließ, vor der Küste hin und her kreuzt. Die Wellen sind nicht hoch, trotzdem kocht das Wasser um uns herum. Wir dürfen auf keinen Fall die Außendecks benutzen. Zu gefährlich! Erst am späten Vormittag lässt der Wind dann derart nach, dass es zu verantworten war, in die ursprünglich geplante Preverance Bay einzufahren.
Noch bei Regen fahren wir mit den Zodiacs an Land. Da wir durch den Sturm viel Zeit verloren haben, gibt es nur eine verkürzte Wanderung durch die schon recht hohe Vegetation. Leider ist der Weg sehr schwierig zu gehen und die zum Teil übermannshohen Sträucher tragen das ihre dazu bei, dass wir nur wenig zu sehen bekommen.
In erster Linie waren es die halbstarken Hooker-Seelöwen, auf die ich gerne verzichtet hätte, weil sie mit ihrer aggressiven Art einfach nur Nerven. Die Verletzungen, die sie sich dabei gegenseitig zufügen sind auch nicht gerade als Charmeoffensive zu werten.
Als Entschädigung für das schlechte Wetter am Vormittag überschlägt sich die Natur mit einem unglaublich bombastischen Sonnenuntergang!
Freitag, 1. März
Auckland Island - Ein traumhaftes Rückseitenwetter entschädigt uns für viele graue Tage. Sogar der Mond erstrahlte von einem blitzblauen Himmel. Hier gibt es zum ersten Mal wieder Wälder, Rata-Wälder aus südlichen "Eisenholzbäumen".
Aber auch Wälder unter Wasser wuchsen hier ganz besonders gut. Riesige Teppiche aus Braunalgen umgarnten immer wieder die Schrauben der Außenbordmotoren unserer Zodiacs und hielten uns fest. Sie ließen sich aber leicht entwirren und schnell waren wir wieder frei. Auch die Tierwelt bietet hier besonders viele Vertreter unterschiedlichster Spezies auf: dunkle Sturmtaucher, Aucklandscharben (endemische Kormoran-Art), Falken und Gelbaugen-Pinguine teilen sich dieses wunderbare Revier. Naja, die Hooker-Seelöwen dürfen natürlich auch nicht fehlen...
Anschließend fahren wir zur Nordspitze von Auckland Island.
Hier gibt es 2 Gruppen, deren Anlandungen dann morgen ausgetauscht werden.
Für mich ist zuerst die Hardwicke Site auf Enderbay Island dran. Hier gab es in den 1850er Jahren einmal eine Siedlung, die aber schon so verfallen ist, dass bis auf den restaurierten Friedhof nichts mehr zu erkennen gibt. Keine 10 Minuten braucht man, um den kurzen Spaziergang durch hohe Rata-Wälder dorthin zu absolvieren.
Allerdings es ein Highlight gab dort. Ausgerechnet am Friedhof begann ein kleiner olivfarbener Glockenvogel (Bellbird) zu singen. Sein Name ist Programm. Wer ihn singen hört, denkt sofort an ein Glockenspiel, einfach nur wunderschön!
Samstag, 2. März
Auckland Island - Sandy Bay auf Enderbay Island
Heute wird getauscht, doch das schöne Wetter ist vorbei. Die nächste Kaltfront klopft schon an und die Wolken jagen über den Himmel. Miesmutig setze ich mit dem Zodiac, in der Erwartung, dass die Anlandung wegen zu viel Wind und Regen gleich abgesagt wird, über. Von der Landestelle aus geht es durch eine Graslandschaft und einem kleinen Rata-Wäldchen über ein Hochmoor. Ein schmaler Holzpfad dient nicht nur unserer Bequemlichkeit sondern hauptsächlich dazu, dass wir nicht alles kaputt "latschen".
Allzuviel gibt es auf den ersten Blick nicht zu sehen. Hier ist Herbst, das Heidekraut, die Eisenholzbäume und fast alles andere sind abgeblüht und braun. Hie und da sah man aber doch noch Blüten und einiges anderes mehr! Doch auch hier sang der Glockenvogel sein wunderbares Lied.
Hier brüten Königsalbatrosse. Einer sogar nur ganz knapp neben dem Weg. Vorsichtig schleichen wir uns an ihm/ihr vorbei. Einmal schaut kurz ein(e) kleine(r) Albatross-Prinz(essin) im Nest hervor. Weiter geht es auf die andere Seite der Insel. Hier fegt der Wind über die Klippen. Ich genieße die tosende Stille.
Wieder zurück schlendere ich den Sandstrand (Sandy Bay, alles klar?) entlang. Es ist Ebbe und so kann ich gut die Kelbwälder und die dazwischen umherkrabbelnden Krabben fotografieren. Dann erfahre ich, dass es eine kleine Kolonie von Gelbaugen-Pinguinen gibt. Sofort mache ich mich auf den Weg.
Trotz der Warnungen vor Seelöwenmännchen komme ich unbehelligt zu diesen Tierchen. Dort ist es wieder so stürmisch, dass es kaum möglich ist, die Kamera ruhig zu halten und die Pinguine zu fotografieren.
Sonntag, 3. März
Wetter: 7Bft; See doch eher bewegt, obwohl wir im Lee der Insel liegen, aber diese ist weder hoch noch groß; der Himmel ist bedeckt; die Luft hat zwar 8°C, aber der Wind lässt die gefühlte Temperatur nach unten sinken.
Snares Island - Die letzte Zodiac-Tour dieser Reise!
Noch einmal sehen wir Albatrosse, Pinguine und meine Lieblinge, die Seelöwen.
Bald verlassen wir die Sturm umtoste Insel zum letzten Ziel dieser Reise -
Bluff, im Süden von Neuseeland
Bluff, 2009 Ausgangspunkt, heute Endpunkt der Semi-Circumnavigation.
Als wir damals von hier aus voller Erwartungen in See stachen,
waren es diese windschiefen Seezeichen, die mir sofort im Gedächtnis blieben.
Nun hat sich der Kreis für mich geschlossen - und doch,
wenn ich an Christchurch mit seinen Erdbebenwunden denke, wieder nicht...
So gegen 20 Uhr erreichen wir die Hafeneinfahrt nach Bluff. Erinnerungen an 2009 werden wach. Auch damals hatte die einsetzende Ebbe einen starken Strom verursacht. Auch damals war es in der Abenddämmerung.
Aber damals sollte diese Reise nicht von Erfolg gekrönt gewesen sein. Diesmal ist sie es.
Großartige Eindrücke darf ich mitnehmen, Eindrücke, an die ich mich immer gerne erinnern werde.